Schon häufiger haben sich Gerichte mit der Frage beschäftigen müssen, inwieweit Unternehmen Anspruch auf Herausgabe personenbezogener Daten von anonymen Rezensenten haben. Am 16.6.2025 hatte das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg (6 W 6/25 e) erneut über die Voraussetzungen eines solchen Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 S. 2 Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) und den Datenschutz in Bewertungsportalen zu entscheiden. Die Antragstellerin verlangte von den Betreibern zweier Bewertungsplattformen (darunter www.[…].de und Google) die Auskunft über verschiedene Nutzerdaten (Name, Anschrift, E-Mail, IP-Adresse), nachdem dort negative Bewertungen durch aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter veröffentlicht wurden. Die Antragstellerin verwies dabei insbesondere auf eine angebliche Überschreitung der Grenze zur strafbaren Schmäkritik, Beleidigung (§ 185 StGB) und Verleumdung.
Das OLG kam zu dem Ergbnis, dass nach § 21 Abs. 2 S. 1 TDDDG kein Anspruch auf Auskunft über die IP-Adresse eines Nutzers besteht.
Zentrale rechtliche Erwägungen
- Ein Anspruch auf Auskunft über die IP-Adresse besteht gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 TDDDG nicht, da es sich dabei um Nutzungsdaten und nicht um Bestandsdaten handelt.
- Ein Auskunftsanspruch über Bestandsdaten setzt gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 TDDDG voraus, dass der beanstandete Inhalt eine der genannten strafbaren Handlungen (etwa Verleumdung oder Beleidigung) erfüllt oder audiovisuelle Inhalte betroffen sind.
- Die internationale Zuständigkeit für Ansprüche gegen Google als Plattformbetreiberin mit Sitz in Irland wurde abgelehnt, da allein die Behauptung einer deliktischen Haftung kein ausreichender Anknüpfungspunkt ist.
Bewertung der beanstandeten Aussagen
- Das OLG Bamberg hat klargestellt, dass die streitgegenständlichen Bewertungen auf den Plattformen als einheitliche Meinungsäußerung gelten und nicht als Tatsachenbehauptungen, die den Tatbestand einer strafbaren Beleidigung oder Verleumdung erfüllen.
- Die Kritik in den Bewertungen bezog sich überwiegend auf einzelne Vorgesetzte und nicht unmittelbar auf das Unternehmen selbst, weshalb das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin nicht verletzt wurde.
- Die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik war nach Ansicht des Gerichts nicht überschritten, da eine (wenn auch überspitzte) sachliche Auseinandersetzung erkennbar war.
Konsequenz und Bedeutung des Urteils
- Bewertungsplattformen müssen personenbezogene Daten grundsätzlich nur bei strafbarer Handlung oder im Falle rechtswidriger audiovisueller Inhalte herausgeben.
- Beschimpfende oder kritische Bewertungen, die noch als Meinungsäußerung gelten und sich nicht als Schmähkritik qualifizieren, begründen keinen Auskunftsanspruch nach dem TDDDG.
- Die Meinungsfreiheit der Bewertenden hat im Rahmen arbeitsbezogener Portalbewertungen regelmäßig ein erhebliches Gewicht gegenüber den Persönlichkeitsrechten betroffener Unternehmen.
- Für die Praxis bedeutet dies, dass die Möglichkeiten zur Identifizierung anonymer Rezensenten eng begrenzt bleiben.
Gesetz über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei digitalen Diensten * (Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz – TDDDG)
§ 21 Bestandsdaten
(1) Auf Anordnung der zuständigen Stellen dürfen Anbieter von digitalen Diensten im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.
(2) Der Anbieter von digitalen Diensten darf darüber hinaus im Einzelfall Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger audiovisueller Inhalte oder aufgrund von Inhalten, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuches erfüllen und nicht gerechtfertigt sind, erforderlich ist. In diesem Umfang ist er gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet.
(3) Für die Erteilung der Auskunft nach Absatz 2 ist eine vorherige gerichtliche Anordnung über die Zulässigkeit der Auskunftserteilung erforderlich, die vom Verletzten zu beantragen ist. Das Gericht entscheidet zugleich über die Verpflichtung zur Auskunftserteilung, sofern der Antrag nicht ausdrücklich auf die Anordnung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung beschränkt ist. Für den Erlass dieser Anordnung ist das Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zuständig. Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk der Verletzte seinen Wohnsitz, seinen Sitz oder eine Niederlassung hat. Die Entscheidung trifft die Zivilkammer. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Kosten der richterlichen Anordnung trägt der Verletzte. Gegen die Entscheidung des Landgerichts ist die Beschwerde statthaft.
(4) Der Anbieter von digitalen Diensten ist als Beteiligter zu dem Verfahren nach Absatz 3 hinzuzuziehen. Er darf den Nutzer über die Einleitung des Verfahrens unterrichten.

